Beschlussantrag:
Das Ergebnis der Prüfung eines stationären Hospizes im Landkreis wird zur Kenntnis genommen.
1. Sachverhalt
Die Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen stellte im Juli dieses Jahres den Prüfauftrag an die Landkreisverwaltung, „wie und wo ein stationäres Hospiz im Main-Tauber-Kreis realisiert werden kann“ (Anlage).
Vorgeschichte:
Im Zusammenhang mit dem Neubau des Odenwald-Hospizes in Walldürn mit 10 Plätzen, dessen Inbetriebnahme im Oktober 2014 erfolgte, wandte sich der Förderverein Odenwald-Hospiz an die Landkreisverwaltung des Main-Tauber-Kreises mit der Bitte, für den laufenden Betrieb des neuen Hospizes einen freiwilligen Betriebskostenzuschuss zu leisten.
Die mit den Krankenkassen geschlossenen Vergütungsvereinbarungen decken regelmäßig 95 Prozent (2014: 90 Prozent) eines definierten Budgets. Der Aufenthalt im Hospiz ist für die Hospizgäste selbst kostenfrei und basiert auf dem individuellen Rechtsanspruch auf palliativ-medizinische Behandlung mit engen Voraussetzungen und Genehmigungspflicht durch die zuständige Krankenkasse. In Folge ergibt sich für jeden Hospizbetrieb ein hohes jährliches finanzielles Defizit, das durch die Einrichtung bzw. dessen Förderverein mittels Spenden und Zuschüsse gedeckt werden muss.
Im November 2014 wurde der Förderantrag im Ausschuss für Soziales, Bildung, Kultur und Verkehr nicht öffentlich beraten. Der Ausschuss beauftragte die Verwaltung, mit den Krankenhäusern sowie den Trägern der freien Wohlfahrtspflege im Landkreis abzuklären, ob und ggf. in welchem zeitlichen Rahmen ein Konzept für ein wohnortnahes Hospiz im Main-Tauber-Kreis zum Tragen kommen könnte. Ein weiterer Auftrag zielte auf die Unterstützung der bedarfsangemessenen Entwicklung der Hospiz- und Palliativversorgung im Landkreis insgesamt ab. Für den Fall, dass eine stationäre Hospizeinrichtung ab 2018 ff. im Landkreis geschaffen würde, sollte deren Betriebskostenförderung vorrangig geprüft werden – vor Einrichtungen außerhalb des Landkreises.
Die Recherche auf Seiten der Verwaltung erbrachte folgendes Ergebnis:
Eine ortsnahe Hospizversorgung wurde durch die Träger der Liga zwar für wichtig erachtet. Ein Verbund der caritativen Träger hatte sich konkret zur Aufgabe gesetzt, weitere Überlegungen zur Schaffung und den Betrieb eines Hospizes anzustellen. Wegen der großen Herausforderungen (Konzept, geeigneter Standort und Liegenschaft, Investitionsfinanzierung, Trägerschaft, Betriebskostenfinanzierung etc.) rechnete die Liga allerdings mit mehreren Jahren der Vorklärung. In der Folge konnten jedoch keine Fortschritte bzgl. der Planung bzw. Schaffung eines Hospizes erzielt werden.
Im Gegensatz dazu ergab sich für den Bereich
der ambulanten Palliativversorgung eine positive Entwicklung: Ergänzend zu den
im Landkreis tätigen Hospizdiensten und dem Ökumenischen Hospizverein Bad MGH
gelang es, nach mehreren Runden Tischen auf Initiative der Landkreisverwaltung,
die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV) flächendeckend im
Landkreis zu implementieren. Die SAPV dient in besonders schwerwiegenden
Konstellationen dem Ziel, die Lebensqualität und die Selbstbestimmung von
Palliativpatienten so weit wie möglich zu erhalten oder zu fördern und ihnen
ein menschenwürdiges Leben bis zum Tod in ihrer gewohnten Umgebung oder in
stationären Pflegeeinrichtungen zu ermöglichen.
Seither wird der Einzugsbereich Wertheim bis
Bad Mergentheim mit 14 Kommunen vom SAPV-Dienst Palldomo (Sitz in Buchen), die
restlichen 4 Kommunen vom SAPV-Dienst Diakoneo Diakonie daheim (Sitz in
Schwäbisch Hall) abgedeckt.
Im Jahr 2019 wurde das Thema stationäres Hospiz erneut, und zwar durch den Kreisseniorenrat Main-Tauber-Kreis, eingebracht mit der Zielsetzung, dass die Landkreisverwaltung die Schaffung eines solchen Angebots anstößt. Der für das Frühjahr 2020 geplante Runde Tisch zum Thema stationäres Hospiz konnte allerdings wegen der Corona-Pandemie nicht stattfinden. In den nachfolgenden, noch immer von Corona geprägten Jahren 2021 / 2022, wurde die Thematik nicht wieder aufgegriffen.
Aktuelle Entwicklung und Einschätzung:
Der Vorstand des Kreisseniorenrats hat im März 2023 einen Vor-Ort-Termin inklusive Gespräch mit der Pflegedienstleitung im Odenwald-Hospiz Walldürn organisiert. Im Vor-Ort-Gespräch in Walldürn wurde deutlich, dass der wirtschaftliche Betrieb trotz des hohen Engagements des Fördervereins sowie des bürgerschaftlichen Engagements vor Ort schwierig sicherzustellen ist. Es braucht ein hohes finanzielles Engagement des Fördervereins sowie weiterer Sponsoren und Finanzierungspartner. Die Auslastung muss möglichst hoch sein, um das Budget der Krankenkassen auch vollständig abrufen zu können. Dementsprechend können weitere Hospize in der Region zu einer möglicherweise geringeren Auslastung und damit zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten beim Betrieb der bereits vorhandenen Einrichtungen führen. Mit Blick auf die sehr engen Voraussetzungen zur Aufnahme in ein Hospiz seien die Plätze ausreichend. Das Odenwald-Hospiz Walldürn arbeitet nach eigenen Angaben sehr gut unter anderem mit dem Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim zusammen, so dass dortige Patienten in das Odenwald-Hospiz aufgenommen werden können.
In diese Richtung geht die zusammenfassende Analyse der aktuellen Drucksache 17/3778 des Landtags Baden-Württemberg. Das Sozialministerium hat im Februar 2023 zur Situation der stationären Hospize und Palliativstationen in Baden-Württemberg Stellung genommen. Danach gibt es im Land zum 01.01.2023 39 stationäre Hospize für Erwachsene mit insgesamt 332 Betten sowie 40 Palliativstationen mit 352 Betten an Krankenhäusern. Laut dem Hospiz- und Palliativverband Baden-Württemberg ist die Zahl der Hospize in Baden-Württemberg ausreichend.
Der Hospiz- und Palliativverband Baden-Württemberg geht von einem Bedarf von 1 Hospizbett je 45.000 bis 55.000 Einwohner aus. Diese Kennzahl werde im ganzen Land erreicht. Geplante Bauvorhaben im Hospizbereich werden von den Trägern im Vorhinein mit dem Hospiz- und Palliativverband Baden-Württemberg sowie den Landesverbänden der Krankenkassen abgestimmt. Dabei habe sich die Kenngröße von 1 zu 45.000 bis 55.000 als zur Frage der Notwendigkeit weiterer Hospize bewährt.
Unter Anrechnung der genannten Kenngröße des Hospiz- und Palliativverbandes Baden-Württemberg ergibt sich für den gesamten Main-Tauber-Kreis ein Bedarf an 3 Hospizplätzen (135.000 Einwohner: 45.000 = 3).
Für diese Platzzahl lässt sich weder der Bau bzw. die Schaffung noch der Betrieb eines stationären Hospizes wirtschaftlich darstellen. Ein Versorgungsvertrag für eine solche Platzzahl ist ausgeschlossen.
Mit der aktuellen Zielsetzung seitens der BBT-Gruppe, im stillgelegten Krankenhaus-Areal Künzelsau ein Hospiz mit 8 Plätzen zu schaffen, bleibt für eine zusätzliche Initiative für ein stationäres Hospiz im Main-Tauber-Kreis erst recht kein Raum.
3. Finanzielle Auswirkungen
Würde ein stationäres Hospiz im Landkreis geschaffen werden, würde ein jährliches Defizit in der Größenordnung von voraussichtlich 150.000 bis 200.000 Euro zu finanzieren sein. Dieses Defizit würde auch nur dann eintreten, wenn überhaupt ein Versorgungsvertrag geschlossen werden könnte, was aber nahezu ausgeschlossen ist. Die nachhaltige Gewährleistung der Finanzierung erscheint nicht möglich. Auch eine Freiwilligkeitsleistung des Landkreises in diesem Umfang ist nicht umsetzbar.
4. Klimarelevanz
Einschätzung
der Klimarelevanz:
Auswirkungen auf den Klimaschutz |
positiv |
negativ |
Verfasser/-in: Nicole Schwarz
Bereich/Amt: Amt für Pflege und Versorgung / Dezernat für Jugend, Soziales und Gesundheit Dezernatsleitung: Elisabeth Krug
Anlagen: 1