Betreff
Anpassung der Leistungen zum Unterhalt (Pflegegeld) für junge Menschen in der Vollzeitpflege und Bereitschaftspflege
Vorlage
JHA/145/2023
Aktenzeichen
416.334
Art
Sitzungsvorlage JHA

Beschlussantrag:

 

1.              Der Jugendhilfeausschuss stimmt der von den kommunalen Spitzenverbänden und dem Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg vorgeschlagenen, auf der Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge basierenden, Anpassung der Leistungen zum Unterhalt (Pflegegeld) für Kinder und Jugendliche in Vollzeitpflege zu.

 

2.              Der Jugendhilfeausschuss stimmt der von der Verwaltung vorgeschlagenen Erhöhung des Pflegegeldes in der Bereitschaftspflege zu.

 

3.              Die Anpassung des Vollzeitpflegegeldes und des Bereitschaftspflegegeldes erfolgt zum 01.01.2024.

 

 

1. Sachverhalt

(siehe Drucksachen JHA/124/2022, Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 22.11.2022 und

JHA/133/2023, Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 02.05.2023)

 

1.1. Anpassung der Leistungen zum Unterhalt (Pflegegeld) für junge Menschen in der Vollzeitpflege

 

Das Jugendamt gewährt als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe Erziehungshilfe in Form der Vollzeitpflege gem. § 33 SGB VIII, wenn der Einzelfallbedarf nicht durch eine ambulante oder teilstationäre Unterstützung abgedeckt werden kann. Um den notwendigen erzieherischen Bedarf von Kindern und Jugendlichen zu decken und ihr Wohl außerhalb der Familie sicherzustellen, werden sie in überprüften und geeigneten Vollzeitpflegefamilien untergebracht.

 

Die Aufnahme des Pflegekindes erfolgt durch die Pflegefamilien in jeder Hinsicht freiwillig. Das Pflegeverhältnis wird schrittweise angebahnt, ist meist auf einen längeren Zeitraum angelegt und zwischen dem Jugendamt und der Pflegefamilie wird eine schriftliche Pflegevereinbarung getroffen.

 

Mit der Unterbringung von Kindern in Vollzeitpflegefamilien gelingt es, diesen einen familiär geprägten Lebensmittelpunkt zu erhalten, wenn ihr Verbleib in den Herkunftsfamilien nicht mehr möglich ist. In einzelnen Fällen stellt dies auch eine geeignete Unterbringungsform für unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) dar.

 

Wird Vollzeitpflege gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie die Pflege und Erziehung des jungen Menschen. Dabei ist dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf durch eine Staffelung der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen. Insofern unterliegt das Pflegegeld in der Vollzeitpflege wie bisher einer Dynamisierung.

 

Der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) empfiehlt den örtlichen Trägern der Jugendhilfe gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden zum 01.01.2024 eine Anpassung der Pflegegelder in der Vollzeitpflege vorzunehmen (siehe Anlage).

 

Der Fortschreibung des Vollzeitpflegegeldes liegt die Grundsatzempfehlung der kommunalen Spitzenverbände und des KVJS aus dem Jahr 2009 zugrunde, sich bei der Bemessung des Vollzeitpflegegeldes regelmäßig an den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. orientieren. Für diese grundsätzliche Vorgehensweise sprach sich auch der Jugendhilfeausschuss des Main-Tauber-Kreises in seiner Sitzung am 14.07.2009 aus.

 

Die Umsetzung dieser Empfehlung für Baden-Württemberg, die die Entwicklung der allgemeinen Verbraucherpreise, die speziellen Konsumausgaben für Kinder und Jugendliche je nach Altersgruppe sowie die veränderten Kosten der Pflege und Erziehung berücksichtigt, führt ab 01.01.2024 zu folgenden Pflegegeldsätzen in der Vollzeitpflege (kursiv: bisheriges Pflegegeld):

 

Altersstufe

Kosten für den

Sachaufwand

(Grundbedarfssatz)

Kosten der Pflege

und Erziehung

(Kosten der Erziehung)

Pflegegeld

 

Bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres

731 Euro

(639 Euro)

420 Euro

(312 Euro)

1.151 Euro

(951 Euro)

 

Vom 7. bis zur Vollendung des

12. Lebensjahres

864 Euro

(783 Euro)

420 Euro

(312 Euro)

1.284 Euro

(1.095 Euro)

 

Ab Beginn des

13. Lebensjahres

1.025 Euro

(919 Euro)

420 Euro

(312 Euro)

1.445 Euro

(1.231 Euro)

 

Für die aktuelle Empfehlung hat der Deutsche Verein eine Überprüfung seiner Berechnungssystematik vorgenommen. Als Datengrundlage für die Kosten für den Sachaufwand nutzt der Deutsche Verein weiterhin die jeweils aktuelle Sonderauswertung der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes zu Konsumausgaben für Kinder. Auf Basis der letztmaligen Sonderauswertung aus 2021, die sich auf die EVS 2018 bezieht, sowie unter Berücksichtigung einer Erhöhung der Verbraucherpreise um 18,64 Prozent im Zeitraum von 2018 bis 2023 ergibt sich eine Erhöhung der Kosten für den Sachaufwand. Die Überprüfung hat zudem ergeben, dass die Kosten der Pflege und Erziehung ebenfalls deutlich anzuheben sind. Für 2024 wird eine Pauschale von 420 Euro monatlich empfohlen.

 

Darüber hinaus wird weiterhin empfohlen, Vollzeitpflegeeltern den Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung für versicherungspflichtige Pflegepersonen zu erstatten. Dieser Jahresbeitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung für Pflegevater und Pflegemutter steigt gegenüber dem Vorjahr von 182,53 Euro auf 191,07 Euro.

 

Unverändert fortgeschrieben wird der Beitrag zur Unterstützung der Alterssicherung der Pflegepersonen in Höhe von 48,36 Euro pro Monat.

 

1.2. Anpassung der Leistungen zum Unterhalt (Pflegegeld) für junge Menschen in der Bereitschaftspflege

Zusätzlich zur geplanten und auf Antrag der Sorgeberechtigten gewährten Vollzeitpflege benötigt das Jugendamt auch weiterhin als Handlungsoption die Unterbringungsmöglichkeit von Kindern in Bereitschaftspflegefamilien, um deren Schutz in akuten Krisensituationen sicherzustellen. In der Regel handelt es sich hier um Inobhutnahmen gem. § 42 SGB VIII, die kurzfristig notwendig werden, um Säuglingen und Kleinkindern in konkreten Gefährdungssituationen einen familiären Betreuungsrahmen zu bieten.

 

Die Unterbringung in einer Bereitschaftspflege unterscheidet sich daher vor allem darin, dass die Pflegefamilien nicht zeitig vor der Unterbringung ausgewählt werden können und das Kind nicht in einem abgestimmten Verfahren ausgewählt und aufgenommen wird. Die Aufnahme erfolgt vielmehr aufgrund der kurzfristigen Notsituation.

 

Die Verwaltung hat derzeit mit 10 Bereitschaftspflegefamilien, die sich dieser besonders verantwortungsvollen Aufgabe stellen, schriftliche Vereinbarungen abgeschlossen, in denen ihre Aufgabe konkreter beschrieben ist.

 

Die Bereitschaftspflege ist damit keine „Leistung“ nach dem SGB VIII, sondern gehört zu den hoheitlichen „anderen Aufgaben“. Als Folge daraus wird die Höhe des Pflegegeldes für die Bereitschaftspflege nicht durch landesweite Empfehlungen festgelegt, sondern obliegt der Entscheidung des örtlichen öffentlichen Jugendhilfeträgers.

 

Das Bereitschaftspflegegeld wurde durch Beschluss des Jugendhilfeausschusses zum 01.01.2023 auf 66 Euro je Belegungstag der Bereitschaftspflegefamilie festgelegt. Darüber hinaus soll weiterhin eine Dynamisierung des Entgeltes im Umfang der prozentualen Anpassung des unter 1.1 geregelten Vollzeitpflegegeldes vorgenommen werden.

 

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Bereitschaftspflegefamilien in aller Regel nur für die Aufnahme von Kindern der unteren beiden Altersgruppen, also der 0- bis 12-Jährigen in Frage kommen. Die Verwaltung schlägt daher vor, das Bereitschaftspflegegeld im Umfang der durchschnittlichen Steigerung dieser Vollzeitpflegegelder anzuheben, was eine deutliche Anhebung um 19,1 Prozent bzw. 12,64 Euro ausmacht. Das Entgelt pro Belegungstag sollte schlussendlich auf gerundete 79 Euro für den Zeitraum ab 01.01.2024 angepasst werden.

 

3. Finanzielle Auswirkungen

Die Mehraufwendungen der vorgeschlagenen Anpassung des Pflegegeldes in der Vollzeitpflege betragen auf der Grundlage der aktuellen Fallzahlen für 2024 210.000 Euro.

 

Der Mehraufwand für die Bereitschaftspflege beträgt auf Basis der durchschnittlichen jährlichen Belegungstage von Bereitschaftspflegefamilien für 2024 37.000 Euro.

 

Die Mehraufwendungen sind in der Haushaltsplanung 2024 berücksichtigt.

 

 

Verfasser/-in: Martin Frankenstein

Bereich/Amt: Dezernat für Jugend, Soziales und Gesundheit / Jugendamt

Dezernatsleitung: Elisabeth Krug

 

Anlagen: 1