Beschlussantrag:
1.
Der
Jugendhilfeausschuss stimmt der von den kommunalen Spitzenverbänden und dem
Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg vorgeschlagenen, auf
der Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge
basierenden, Anpassung der Leistungen zum Unterhalt (Pflegegeld) für Kinder und
Jugendliche in Vollzeitpflege zu.
2.
Der
Jugendhilfeausschuss stimmt der von der Verwaltung vorgeschlagenen Erhöhung des
Pflegegeldes in der Bereitschaftspflege zu.
3.
Die
Anpassung des Vollzeitpflegegeldes und des Bereitschaftspflegegeldes erfolgt
zum 01.01.2024.
1. Sachverhalt
(siehe Drucksachen JHA/124/2022, Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 22.11.2022 und
JHA/133/2023, Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 02.05.2023)
1.1. Anpassung der Leistungen zum Unterhalt (Pflegegeld) für junge Menschen in
der Vollzeitpflege
Das
Jugendamt gewährt als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe
Erziehungshilfe in Form der Vollzeitpflege gem. § 33 SGB VIII, wenn der Einzelfallbedarf nicht durch eine ambulante oder
teilstationäre Unterstützung abgedeckt werden kann. Um den notwendigen erzieherischen Bedarf von Kindern und Jugendlichen
zu decken und ihr Wohl außerhalb der Familie sicherzustellen, werden sie in
überprüften und geeigneten Vollzeitpflegefamilien untergebracht.
Die Aufnahme
des Pflegekindes erfolgt durch die Pflegefamilien in jeder Hinsicht freiwillig.
Das Pflegeverhältnis wird schrittweise angebahnt, ist meist auf einen längeren
Zeitraum angelegt und zwischen dem Jugendamt und der Pflegefamilie wird eine
schriftliche Pflegevereinbarung getroffen.
Mit der
Unterbringung von Kindern in Vollzeitpflegefamilien gelingt es, diesen einen
familiär geprägten Lebensmittelpunkt zu erhalten, wenn ihr Verbleib in den
Herkunftsfamilien nicht mehr möglich ist. In einzelnen Fällen stellt dies auch
eine geeignete Unterbringungsform für unbegleitete minderjährige Ausländer
(UMA) dar.
Wird
Vollzeitpflege gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder
des Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten
für den Sachaufwand sowie die Pflege und Erziehung des jungen Menschen.
Dabei ist dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf durch eine
Staffelung der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen. Insofern
unterliegt das Pflegegeld in der Vollzeitpflege wie bisher einer Dynamisierung.
Der Kommunalverband
für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) empfiehlt den örtlichen
Trägern der Jugendhilfe gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden
zum 01.01.2024 eine Anpassung der Pflegegelder in der Vollzeitpflege vorzunehmen
(siehe Anlage).
Der
Fortschreibung des Vollzeitpflegegeldes liegt die Grundsatzempfehlung der
kommunalen Spitzenverbände und des KVJS aus dem Jahr 2009 zugrunde, sich bei
der Bemessung des Vollzeitpflegegeldes regelmäßig an den Empfehlungen des Deutschen
Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. orientieren. Für diese grundsätzliche Vorgehensweise sprach sich auch
der Jugendhilfeausschuss des Main-Tauber-Kreises in seiner Sitzung am
14.07.2009 aus.
Die
Umsetzung dieser Empfehlung für Baden-Württemberg, die die Entwicklung der
allgemeinen Verbraucherpreise, die speziellen Konsumausgaben für Kinder und
Jugendliche je nach Altersgruppe sowie die veränderten Kosten der Pflege und
Erziehung berücksichtigt, führt ab 01.01.2024
zu folgenden Pflegegeldsätzen in der Vollzeitpflege (kursiv: bisheriges
Pflegegeld):
Altersstufe |
Kosten für den Sachaufwand (Grundbedarfssatz) |
Kosten der Pflege und Erziehung (Kosten der Erziehung) |
Pflegegeld |
Bis zur Vollendung des 6.
Lebensjahres |
731 Euro (639
Euro) |
420 Euro (312
Euro) |
1.151 Euro (951
Euro) |
Vom 7. bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres |
864 Euro (783
Euro) |
420 Euro (312
Euro) |
1.284 Euro (1.095
Euro) |
Ab Beginn des 13. Lebensjahres |
1.025 Euro (919
Euro) |
420 Euro (312
Euro) |
1.445 Euro (1.231
Euro) |
Für die
aktuelle Empfehlung hat der Deutsche Verein eine Überprüfung seiner
Berechnungssystematik vorgenommen. Als Datengrundlage für die Kosten für den
Sachaufwand nutzt der Deutsche Verein weiterhin die jeweils aktuelle Sonderauswertung
der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes
zu Konsumausgaben für Kinder. Auf Basis der letztmaligen Sonderauswertung aus
2021, die sich auf die EVS 2018 bezieht, sowie unter Berücksichtigung einer
Erhöhung der Verbraucherpreise um 18,64 Prozent im Zeitraum von 2018 bis 2023
ergibt sich eine Erhöhung der Kosten für den Sachaufwand. Die Überprüfung hat
zudem ergeben, dass die Kosten der Pflege und Erziehung ebenfalls deutlich
anzuheben sind. Für 2024 wird eine Pauschale von 420 Euro monatlich empfohlen.
Darüber
hinaus wird weiterhin empfohlen, Vollzeitpflegeeltern den Beitrag zur
gesetzlichen Unfallversicherung für versicherungspflichtige Pflegepersonen
zu erstatten. Dieser Jahresbeitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung für
Pflegevater und Pflegemutter steigt gegenüber dem Vorjahr von 182,53 Euro auf
191,07 Euro.
Unverändert
fortgeschrieben wird der Beitrag zur Unterstützung der Alterssicherung der
Pflegepersonen in Höhe von 48,36 Euro pro Monat.
1.2. Anpassung der Leistungen zum Unterhalt (Pflegegeld) für junge Menschen in
der Bereitschaftspflege
Zusätzlich zur geplanten und auf Antrag der Sorgeberechtigten gewährten Vollzeitpflege benötigt das Jugendamt auch weiterhin als Handlungsoption die Unterbringungsmöglichkeit von Kindern in Bereitschaftspflegefamilien, um deren Schutz in akuten Krisensituationen sicherzustellen. In der Regel handelt es sich hier um Inobhutnahmen gem. § 42 SGB VIII, die kurzfristig notwendig werden, um Säuglingen und Kleinkindern in konkreten Gefährdungssituationen einen familiären Betreuungsrahmen zu bieten.
Die Unterbringung in einer Bereitschaftspflege unterscheidet sich daher vor allem darin, dass die Pflegefamilien nicht zeitig vor der Unterbringung ausgewählt werden können und das Kind nicht in einem abgestimmten Verfahren ausgewählt und aufgenommen wird. Die Aufnahme erfolgt vielmehr aufgrund der kurzfristigen Notsituation.
Die Verwaltung hat derzeit mit 10 Bereitschaftspflegefamilien, die sich dieser besonders verantwortungsvollen Aufgabe stellen, schriftliche Vereinbarungen abgeschlossen, in denen ihre Aufgabe konkreter beschrieben ist.
Die Bereitschaftspflege ist damit keine „Leistung“ nach dem SGB VIII, sondern gehört zu den hoheitlichen „anderen Aufgaben“. Als Folge daraus wird die Höhe des Pflegegeldes für die Bereitschaftspflege nicht durch landesweite Empfehlungen festgelegt, sondern obliegt der Entscheidung des örtlichen öffentlichen Jugendhilfeträgers.
Das Bereitschaftspflegegeld wurde durch Beschluss des Jugendhilfeausschusses zum 01.01.2023 auf 66 Euro je Belegungstag der Bereitschaftspflegefamilie festgelegt. Darüber hinaus soll weiterhin eine Dynamisierung des Entgeltes im Umfang der prozentualen Anpassung des unter 1.1 geregelten Vollzeitpflegegeldes vorgenommen werden.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die
Bereitschaftspflegefamilien in aller Regel nur für die Aufnahme von Kindern der
unteren beiden Altersgruppen, also der 0- bis 12-Jährigen in Frage kommen. Die
Verwaltung schlägt daher vor, das Bereitschaftspflegegeld im Umfang der
durchschnittlichen Steigerung dieser Vollzeitpflegegelder anzuheben, was eine
deutliche Anhebung um 19,1 Prozent bzw. 12,64 Euro ausmacht. Das Entgelt pro
Belegungstag sollte schlussendlich auf gerundete 79 Euro für den
Zeitraum ab 01.01.2024 angepasst werden.
3.
Finanzielle Auswirkungen
Die Mehraufwendungen der vorgeschlagenen Anpassung des Pflegegeldes in der Vollzeitpflege betragen auf der Grundlage der aktuellen Fallzahlen für 2024 210.000 Euro.
Der Mehraufwand für die Bereitschaftspflege beträgt auf Basis der durchschnittlichen jährlichen Belegungstage von Bereitschaftspflegefamilien für 2024 37.000 Euro.
Die Mehraufwendungen sind in der Haushaltsplanung 2024 berücksichtigt.
Verfasser/-in: Martin Frankenstein
Bereich/Amt: Dezernat für Jugend, Soziales und Gesundheit / Jugendamt
Dezernatsleitung: Elisabeth Krug
Anlagen: 1