Betreff
Das neue Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (PsychKHG) und seine Auswirkungen auf den Main-Tauber-Kreis
Vorlage
S/082/2015
Aktenzeichen
43.5
Art
Sitzungsvorlage S

Beschlussantrag:

  1. Der Ausschuss für Soziales, Bildung, Kultur und Verkehr nimmt das neue Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (PsychKHG) und seine Auswirkungen auf den Main-Tauber-Kreis zur Kenntnis.
  2. Die Verwaltung wird beauftragt, die notwendigen Strukturen zur Umsetzung des PsychHG im Main-Tauber-Kreis zu schaffen.

 

1.Sachverhalt:

In Baden-Württemberg werden erstmals Regelungen zu Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch kranke und seelisch behinderte Menschen zusammengeführt und in einer Gesamtschau gesetzlich geregelt. Am 1. Januar 2015 ist das neue Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (PsychKHG) in Kraft getreten, mit dem psychisch kranke und seelisch behinderte Menschen mehr Rechte und Hilfen erhalten.

 

Das Gesetz umfasst folgende Teilbereiche:

-      Teil 1: Allgemeines

-      Teil 2: Hilfen

-      Teil 3: Unterbringung

-      Teil 4: Maßregelvollzug

-      Teil 5: Schlussbestimmungen

 

Damit die Hilfen für psychisch kranke Menschen umfassend gewährleistet werden können, wird durch das PsychKHG ein dichtes Netz von Diensten und Einrichtungen definiert, wozu der verpflichtende Ausbau bestehender Strukturen ebenso gehört, wie die Etablierung neuer Anlaufstellen, insbesondere zur Sicherung von Patienten- und Angehörigenrechten.

 

 

2. Auswirkungen auf den Main-Tauber-Kreis

Unmittelbare Auswirkungen für den Main-Tauber-Kreis ergeben sich vor allem aus dem Teil 2 des Gesetzes. Hier werden Regelungen getroffen, die eine bedarfsgerechte psychiatrische Versorgung psychisch kranker Menschen in Baden-Württemberg weiter verbessern sollen. Die wesentlichen Bausteine sind:

 

2.1. Der Sozialpsychiatrische Dienst (§ 6 PsychKHG)

Der Sozialpsychiatrische Dienst (SpDi) erhält mit dem neuen Gesetz einen zentralen Stellenwert in der Versorgungslandschaft des Landkreises. Er soll die ambulante Grundversorgung psychisch Kranker im Rahmen von Vorsorge, Nachsorge und sozialer Krisenintervention gewährleisten.

Der SpDi ist beim Gesundheitsamt des Landkreises angebunden. Er ist derzeit mit 1,8 Fachkraftstellen (verteilt auf 2 sozialpädagogische Fachkräfte) von insgesamt 2,3 Stellen im Stellenplan besetzt. Der SpDi wurde bereits im April 1989 im Main-Tauber-Kreis eingerichtet. Rechtliche Grundlage der Arbeit des Sozialpsychiatrischen Dienstes waren anfangs Richtlinien des Sozialministeriums vom 25. Juni 1986, die in den Folgejahren mehrmals fortgeschrieben wurden. Die aktuelle Verwaltungsvorschrift gilt bis 31. Dezember 2016. Der SpDi hat – ausgehend von der Psychiatrie-Enquete 1975 – die Aufgabe, das bestehende Netz an Diensten durch sein Angebot zu ergänzen und koordinierende Aufgaben innerhalb des Hilfesystems zu leisten.

 

Konkret bedeutet dies:

-       Ambulante Beratung, Begleitung und Betreuung chronisch psychisch kranker Menschen mit Wohnsitz im Main-Tauber-Kreis (Grundversorgung) und in ausgewählten Einzelfällen nervenärztlich verordnete Soziotherapie.

-       Zentrale Vermittlungs- und Koordinationsstelle für psychisch kranke Menschen und deren Umfeld, aber auch für Einrichtungen der psychosozialen Versorgung.

-       Fachliche Begleitung von Gruppenangeboten/Durchführung eigener Gruppenangebote.

-       Keine Übernahme von Aufgaben des Betreuungs- und Unterbringungsrechts.

 

Die Gesamtzahl der Klientenkontakte war auch im Jahr 2014 weiterhin konstant hoch. Etwa 230 Menschen wurden im Berichtsjahr durch den SpDi in unterschiedlicher Intensität und Form beraten, begleitet und betreut.

 

Die statistische Verteilung der Betreuungskontakte ist gleichbleibend. Während bei circa 40 Prozent der Fälle im Rahmen eines Kurzkontaktes (weniger als fünf Einzelkontakte) eine schnelle Situationsabklärung erfolgen kann (z.B. mit dem Einleiten anderer Unterstützungsmöglichkeiten oder der Verweis an andere Stellen), besteht beim Gros der Klientel (ca. 60 Prozent) ein längerfristiger, meist bereits auch langjähriger Betreuungskontakt.

 

Neben der sogenannten Grundversorgung werden ca. 10 Prozent der Klienten im Rahmen einer ärztlich verordneten und von den Krankenkassen finanzierten Soziotherapie sehr intensiv begleitet. Das Einbeziehen des sozialen Umfeldes und die Vernetzung von unterschiedlichen Hilfsangeboten sind dabei besonders wichtig. Die Betreuungsfrequenz hier liegt bei wöchentlichen bis 14-tägigen Gesprächskontakten.

 

2.2. Der Gemeindepsychiatrische Verbund (§ 7 PsychKHG)

Als Steuerungsgremium soll im Landkreis ein Gemeindepsychiatrischer Verbund (GPV) eingerichtet werden, in dem die Träger der Versorgungseinrichtungen des Kreises, aber auch Angebote der Selbst- und Bürgerhilfe zusammengeschlossen sind. Aufgabe wird es hier sein, fortlaufend die Versorgungsstruktur zu verbessern, was eine abgestimmte Verzahnung von ambulanten, teilstationären und stationären Angeboten beinhaltet.

 

Inhalte:

-       Schriftliche Kooperationsvereinbarung mit dem Ziel, für psychisch kranke Menschen im Rahmen ihrer Möglichkeiten eine möglichst bedarfsgerechte, wohnortnahe Versorgung zu erreichen.

-       Der GPV soll mit Verbünden und Netzwerken aus anderen Bereichen zusammenarbeiten.

-       Der besondere Kooperationsbedarf im Rahmen der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung soll berücksichtigt werden.

-       Eine Moderation dieses Prozesses zur Versorgungsentwicklung durch den Landkreis im Rahmen seiner bestehenden Zuständigkeit für die kommunale Sozialplanung wird empfohlen.

 

2.3. Patientenfürsprecher und Informations-/ Beratungs- und Beschwerdestelle (IBB)
         (§ 9 PsychKHG)

Der Landkreis soll einen unabhängigen Patientenfürsprecher bestellen. Dieser prüft Anregungen und Beschwerden psychisch kranker Menschen und deren Angehörigen und wirkt in Zusammenarbeit mit den Betroffenen auf eine Problemlösung hin. Bei Bedarf vermittelt er zwischen den Betroffenen und der stationären, teilstationären oder ambulanten psychiatrischen Versorgungseinrichtung.

 

In Kooperation mit der Psychiatrischen Abteilung am Krankenhaus Tauberbischofsheim wurde vom Landkreis bereits vor einigen Jahren die Stelle eines Patientenfürsprechers eingerichtet. Der jetzige Patientenfürsprecher, Herr Dieter Metzger, hat sein Amt seit 1. März 2013 inne.

Zur Stärkung der Rechte der Patienten wird darüber hinaus auf Kreisebene eine so genannte Informations-, Beratungs- und Beschwerdestelle (IBB-Stelle) gefordert. Unabhängig und niederschwellig sollen hier Beschwerden bearbeitet werden. Dieses unabhängige Gremium soll aber auch kostenlose Beratungen für Betroffene und Angehörige im Sinne allgemeiner Informationen zum Hilfesystem sowie zu juristischen Fragen anbieten.

 

Die IBB soll aus mindestens folgenden Mitgliedern bestehen:

-       Ein Patientenfürsprecher

-       Ein Psychiatrie-Erfahrener

-       Ein Vertreter von Angehörigen

-       Eine Person mit professionellem Hintergrund

 

4. Finanzielle Auswirkungen

Landesförderung und Mittel der Krankenkasse für ausgeführte Leistungen der Soziotherapie sind wie bisher im höchstmöglichen Umfang in Anspruch zu nehmen.

Eventueller Mehraufwand, ggf. in Form einer Aufwandsentschädigung für die ehrenamtlich tätigen Personen kann sich durch den Aufbau einer IBB-Stelle ergeben und ist derzeit nicht konkret bezifferbar.

 

 

Anlage 1