Beschlussantrag:
- Der Ausschuss für Soziales, Bildung, Kultur und Verkehr nimmt das neue Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (PsychKHG) und seine Auswirkungen auf den Main-Tauber-Kreis zur Kenntnis.
- Die Verwaltung wird beauftragt, die notwendigen Strukturen zur Umsetzung des PsychHG im Main-Tauber-Kreis zu schaffen.
1.Sachverhalt:
In Baden-Württemberg werden erstmals Regelungen zu Hilfen und
Schutzmaßnahmen für psychisch kranke und seelisch behinderte Menschen
zusammengeführt und in einer Gesamtschau gesetzlich geregelt. Am 1. Januar 2015
ist das neue Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (PsychKHG) in Kraft getreten, mit
dem psychisch kranke und seelisch behinderte Menschen mehr Rechte und Hilfen
erhalten.
Das Gesetz umfasst folgende Teilbereiche:
-
Teil 1: Allgemeines
-
Teil 2: Hilfen
-
Teil 3: Unterbringung
-
Teil 4: Maßregelvollzug
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Teil 5: Schlussbestimmungen
Damit die Hilfen
für psychisch kranke Menschen umfassend gewährleistet werden können, wird durch
das PsychKHG ein dichtes Netz von Diensten und Einrichtungen definiert, wozu
der verpflichtende Ausbau bestehender Strukturen ebenso gehört, wie die
Etablierung neuer Anlaufstellen, insbesondere zur Sicherung von Patienten- und
Angehörigenrechten.
2. Auswirkungen auf den Main-Tauber-Kreis
Unmittelbare
Auswirkungen für den Main-Tauber-Kreis ergeben sich vor allem aus dem Teil 2
des Gesetzes. Hier werden Regelungen getroffen, die eine bedarfsgerechte
psychiatrische Versorgung psychisch kranker Menschen in Baden-Württemberg
weiter verbessern sollen. Die wesentlichen Bausteine sind:
2.1. Der
Sozialpsychiatrische Dienst (§ 6 PsychKHG)
Der Sozialpsychiatrische Dienst (SpDi) erhält mit dem neuen Gesetz einen
zentralen Stellenwert in der Versorgungslandschaft des Landkreises. Er soll die
ambulante Grundversorgung psychisch Kranker im Rahmen von Vorsorge, Nachsorge
und sozialer Krisenintervention gewährleisten.
Der SpDi ist beim Gesundheitsamt
des Landkreises angebunden. Er ist derzeit mit 1,8 Fachkraftstellen
(verteilt auf 2 sozialpädagogische Fachkräfte) von insgesamt 2,3 Stellen im
Stellenplan besetzt. Der SpDi wurde bereits im April 1989 im Main-Tauber-Kreis
eingerichtet. Rechtliche Grundlage der Arbeit des Sozialpsychiatrischen
Dienstes waren anfangs Richtlinien des Sozialministeriums vom 25. Juni 1986,
die in den Folgejahren mehrmals fortgeschrieben wurden. Die aktuelle
Verwaltungsvorschrift gilt bis 31. Dezember 2016. Der SpDi hat – ausgehend von
der Psychiatrie-Enquete 1975 – die Aufgabe, das bestehende Netz an Diensten
durch sein Angebot zu ergänzen und koordinierende Aufgaben innerhalb des
Hilfesystems zu leisten.
Konkret
bedeutet dies:
- Ambulante Beratung, Begleitung und Betreuung
chronisch psychisch kranker Menschen mit Wohnsitz im Main-Tauber-Kreis
(Grundversorgung) und in ausgewählten Einzelfällen nervenärztlich verordnete
Soziotherapie.
- Zentrale Vermittlungs- und
Koordinationsstelle für psychisch kranke Menschen und deren Umfeld, aber auch
für Einrichtungen der psychosozialen Versorgung.
- Fachliche Begleitung von
Gruppenangeboten/Durchführung eigener Gruppenangebote.
- Keine Übernahme von Aufgaben des Betreuungs-
und Unterbringungsrechts.
Die Gesamtzahl der Klientenkontakte war auch im Jahr 2014 weiterhin
konstant hoch. Etwa 230 Menschen wurden im Berichtsjahr durch den SpDi in
unterschiedlicher Intensität und Form beraten, begleitet und betreut.
Die statistische Verteilung der Betreuungskontakte ist gleichbleibend.
Während bei circa 40 Prozent der Fälle im Rahmen eines Kurzkontaktes (weniger
als fünf Einzelkontakte) eine schnelle Situationsabklärung erfolgen kann (z.B.
mit dem Einleiten anderer Unterstützungsmöglichkeiten oder der Verweis an
andere Stellen), besteht beim Gros der Klientel (ca. 60 Prozent) ein
längerfristiger, meist bereits auch langjähriger Betreuungskontakt.
Neben der sogenannten Grundversorgung werden ca. 10 Prozent der Klienten
im Rahmen einer ärztlich verordneten und von den Krankenkassen finanzierten
Soziotherapie sehr intensiv begleitet. Das Einbeziehen des sozialen Umfeldes
und die Vernetzung von unterschiedlichen Hilfsangeboten sind dabei besonders
wichtig. Die Betreuungsfrequenz hier liegt bei wöchentlichen bis 14-tägigen
Gesprächskontakten.
2.2. Der
Gemeindepsychiatrische Verbund (§ 7 PsychKHG)
Als Steuerungsgremium soll im Landkreis ein Gemeindepsychiatrischer
Verbund (GPV) eingerichtet werden, in dem die Träger der
Versorgungseinrichtungen des Kreises, aber auch Angebote der Selbst- und
Bürgerhilfe zusammengeschlossen sind. Aufgabe wird es hier sein, fortlaufend
die Versorgungsstruktur zu verbessern, was eine abgestimmte Verzahnung von
ambulanten, teilstationären und stationären Angeboten beinhaltet.
Inhalte:
- Schriftliche Kooperationsvereinbarung mit
dem Ziel, für psychisch kranke Menschen im Rahmen ihrer Möglichkeiten eine
möglichst bedarfsgerechte, wohnortnahe Versorgung zu erreichen.
- Der GPV soll mit Verbünden und Netzwerken
aus anderen Bereichen zusammenarbeiten.
- Der besondere Kooperationsbedarf im Rahmen
der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung soll berücksichtigt werden.
- Eine Moderation dieses Prozesses zur
Versorgungsentwicklung durch den Landkreis im Rahmen seiner bestehenden
Zuständigkeit für die kommunale Sozialplanung wird empfohlen.
2.3.
Patientenfürsprecher und Informations-/ Beratungs- und Beschwerdestelle (IBB)
(§ 9 PsychKHG)
Der Landkreis soll einen unabhängigen Patientenfürsprecher bestellen.
Dieser prüft Anregungen und Beschwerden psychisch kranker Menschen und deren
Angehörigen und wirkt in Zusammenarbeit mit den Betroffenen auf eine
Problemlösung hin. Bei Bedarf vermittelt er zwischen den Betroffenen und der
stationären, teilstationären oder ambulanten psychiatrischen
Versorgungseinrichtung.
In Kooperation mit der Psychiatrischen Abteilung am Krankenhaus
Tauberbischofsheim wurde vom Landkreis bereits vor einigen Jahren die Stelle
eines Patientenfürsprechers eingerichtet. Der jetzige Patientenfürsprecher,
Herr Dieter Metzger, hat sein Amt seit 1. März 2013 inne.
Zur Stärkung der Rechte der Patienten wird darüber hinaus auf Kreisebene
eine so genannte Informations-, Beratungs- und Beschwerdestelle (IBB-Stelle)
gefordert. Unabhängig und niederschwellig sollen hier Beschwerden bearbeitet
werden. Dieses unabhängige Gremium soll aber auch kostenlose Beratungen für
Betroffene und Angehörige im Sinne allgemeiner Informationen zum Hilfesystem
sowie zu juristischen Fragen anbieten.
Die IBB soll aus mindestens folgenden Mitgliedern bestehen:
- Ein Patientenfürsprecher
- Ein Psychiatrie-Erfahrener
- Ein Vertreter von Angehörigen
- Eine Person mit professionellem Hintergrund
4. Finanzielle
Auswirkungen
Landesförderung und
Mittel der Krankenkasse für ausgeführte Leistungen der Soziotherapie sind wie
bisher im höchstmöglichen Umfang in Anspruch zu nehmen.
Eventueller
Mehraufwand, ggf. in Form einer Aufwandsentschädigung für die ehrenamtlich
tätigen Personen kann sich durch den Aufbau einer IBB-Stelle ergeben und ist
derzeit nicht konkret bezifferbar.
Anlage 1