Betreff
Frühe Hilfen im Main-Tauber-Kreis - Inanspruchnahme und Weiterentwicklung der Angebote
Vorlage
JHA/0057/2018
Aktenzeichen
416.334
Art
Sitzungsvorlage JHA

Beschlussantrag:

1.    Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Bericht zum Ausbaustand und zur Inanspruchnahme Früher Hilfen im Main-Tauber-Kreis zur Kenntnis.

 

2.    Die Verwaltung wird beauftragt, eine Gesamtkonzeption über diese präventiven Unterstützungsangebote für Familien im Landkreis zu erstellen.

 

3.    Die notwendigen Haushaltsmittel für den weiteren Ausbau Früher Hilfen, insbesondere den Einsatz von Familienhebammen und Familien-Gesundheits-und Kinderkrankenpflegerinnen, sind in der Haushaltsplanung 2019 vorzusehen.

 

 

1. Sachverhalt:

(siehe Kreistagsdrucksache JHA/0032/2016 – Sitzung des Jugendhilfeausschusses

am 27.09.2016)

Das zum 01.01.2012 in Kraft getretene "Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen - Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG)" hat als ein wesentliches Ziel, neue Hilfeformen, insbesondere die sogenannten Frühen Hilfen über einen verbindlichen gesetzlichen Rahmen abzusichern und zu verstetigen.

Was bedeutet "Kinderschutz"? Die Pflege und Erziehung ihrer Kinder ist zuallererst die Pflicht, aber auch das Recht der Eltern. Deshalb erfordert wirksamer Kinderschutz auch,  Müttern und Vätern bereits frühzeitig und niedrigschwellig Unterstützungsangebote zur Verfügung zu stellen, damit eine Gefährdung erst gar nicht entsteht ("präventiver Kinderschutz").

Mit dem Bundeskinderschutzgesetz wurde ein solches Verständnis von Kinderschutz gesetzlich bestärkt, da es neben Regelungen zum Vorgehen bei konkreter Kindeswohlgefährdung im Einzelfall eben auch die Schaffung von Infrastrukturen im Bereich der Frühen Hilfen vorsieht.

Das Jugendamt ist seit 2012 intensiv mit der Umsetzung dieser Arbeitsaufträge befasst. Die Verwaltung gibt in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses einen Überblick über den aktuellen Umsetzungsstand der Frühen Hilfen.

 

1.1 Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes und des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) im Main-Tauber-Kreis

 

a) Auf- und Ausbau von Netzwerken mit Zuständigkeit für Frühe Hilfen
(§ 3 Abs. 1 KKG)

Zentral für die praktische Umsetzung Früher Hilfen ist eine enge Vernetzung und Kooperation von Institutionen und Angeboten, wobei dem Bereich der Gesundheitshilfe, insbesondere den Geburtskliniken, eine zentrale Bedeutung zukommt. Denn hier ist eine frühe Erreichbarkeit aller Eltern sowie eine Früherkennung eventueller Belastungen möglich.

Um diese Kooperation zu fördern, haben Gespräche der Verwaltung mit den Geburtskliniken des Caritas-Krankenhauses Bad Mergentheim und der Rotkreuzklinik Wertheim stattgefunden. Inzwischen ist es dem Caritasverband Heilbronn-Hohenlohe in Zusammenarbeit mit der Stiftung „See-you“ Hamburg und dem Caritaskrankenhaus Bad Mergentheim gelungen, im Rahmen eines zweijährigen Projekts eine Fachkraft einzustellen. Frau Daniela Ziegler wird ab 15.06.2018 halbtags in der Entbindungsstation des Caritaskrankenhauses Bad Mergentheim als sogenannte Babylotsin tätig sein. Frühzeitig soll sie Familien mit Belastungen erkennen und beraten, um präventive Hilfen einzusetzen.

Darüber hinaus werden insbesondere Gynäkologen und Kinderärzte zu den jährlichen Netzwerktreffen und den internen Fortbildungsangeboten der Frühen Hilfen eingeladen, Ärzte nehmen an Arbeitskreisen der Frühen Hilfen teil und laden umgekehrt zu ihren fachspezifischen Qualitätszirkeln ein.

Im Sommer diesen Jahres wird schon das zweite Tandem-Team, bestehend aus Kinderarzt und Fachkraft des Sozialen Dienstes des Jugendamtes, durch das Nationale Zentrum Frühe Hilfen und die Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg für den Main-Tauber-Kreis geschult.

Aus dem jährlichen Netzwerktreffen Frühe Hilfen, an dem alle maßgeblichen Institutionen und Fachkräfte teilnehmen, haben sich Arbeitskreise entwickelt, die sich mit dem Kinderschutz für die verschiedenen Altersgruppen beschäftigen; die Ergebnisse werden im Netzwerktreffen regelmäßig dargestellt.

Die Broschüre des gesamten Netzwerkes ist zwischenzeitlich online gestellt. So sind aktuelle Adressen und Daten über alle Angebote Früher Hilfen und Kinderschutz im Main-Tauber-Kreis schnell verfügbar.

 

b) Einsatz von Familienhebammen und Familien-Gesundheits-und
     Kinderkrankenpflegerinnen im Kontext Früher Hilfen (§ 3 Abs. 4 KKG)

Bereits im Jahr 2014 wurde eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem Main-Tauber-Kreis und den beteiligten freien Trägern der Jugendhilfe über den Einsatz von Familienhebammen und Familien- Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen geschlossen. Aufgrund zunehmender Fallzahlen wurden 2017 die Stundenkontingente der beiden im Landkreis tätigen Fachkräfte erhöht. Waren es im Jahr 2016 noch 435 Einsatzstunden bei 55 Familien, wurden 2017 zwar ebenso viele Familien, aber mit insgesamt 520 Stunden betreut. Dabei ist eine maximale Einsatzzeit von 25 Stunden je Einzelfall möglich.

Aufgrund der Fallzahlen des laufenden Jahres kann von einer weiteren deutlichen Bedarfssteigerung ausgegangen werden.

 

c)  Ehrenamtsstrukturen im Kontext Früher Hilfen (§ 3 Abs. 4 KKG)

Bis heute wurden annähernd 3.000 Geschenktaschen mit Informationsmaterial über Angebote Früher Hilfen einschließlich STÄRKE-Angebote durch die Kommunen an alle Familien mit Neugeborenen verteilt. Neben einem kleinen Willkommensgeschenk erhalten die jungen Familien vielfältige Informationen über familienunterstützende Angebote im Main-Tauber-Kreis.

 

Zur Erweiterung des Programms Familienbesucher wurden in einigen Gemeinden Ehrenamtliche geschult, die nicht nur die Verteilung dieser Taschen übernehmen, sondern die Familien in einem persönlichen Gespräch auch über die örtlichen und überregionalen Angebote der Frühen Hilfen informieren.

 

In Kooperation mit dem Caritasverband und dem Diakonischen Werk gelang bereits im Jahr 2015 der Einstieg in das Konzept Familienpaten für den gesamten Main-Tauber-Kreis, nach dem ehrenamtliche Personen Familien über einen längeren Zeitraum entlasten. Dieses Angebot hat sich zwischenzeitlich als hilfreiche Unterstützung etabliert. 2016 wurden elf Familien, 2017 bereits 20 Familien von derzeit 14 Familienpaten betreut.

 

Auch das Projekt „wellcome“ des Diakonischen Werkes Main-Tauber-Kreis unterstützt am Standort Wertheim durch derzeit 10 Ehrenamtliche junge Mütter oder Familien im 1. Lebensjahr eines Kindes. Im Jahr 2017 konnten 6 Familien mit insgesamt 217 Einsatzstunden von dieser Hilfe profitieren.

 

d) Familienzentren und offene Treffs

Bereits seit dem Jahr 2010 existiert in Tauberbischofsheim das „Netzwerk Familie“, in Bad Mergentheim gibt es seit 2013 das Familienzentrum Kinderhaus Auenland sowie seit 2015 den offenen Treff „KEK“ (Kinder, Eltern und Kontakte). Danach sind auch in anderen Kommunen des Main-Tauber-Kreises bislang ca. 10 Anlaufstellen für junge Familien entstanden.

Um den Ausbau von Familienzentren und Offenen Treffs zu unterstützen, fördert der Main-Tauber-Kreis diese Angebote seit dem Jahr 2018 umfänglich und unabhängig vom Etat der Kinder- und Jugendhilfe. Auch diese Angebote sind zukünftig im Gesamtkontext der Frühen Hilfen zu berücksichtigen.

 

1.2 Rahmenbedingungen der Koordinierungsstelle Frühe Hilfen / Kinderschutz:

Die Koordinierungsstelle Frühe Hilfen / Kinderschutz ist seit 2013 mit zwei in Teilzeit beschäftigten sozialpädagogischen Fachkräften besetzt (derzeit eine 50%- und eine 65%-Stelle) und in der Verwaltung dem Allgemeinen Sozialen Dienst, Bereich Süd zugeordnet. Die Arbeit der Koordinierungsstelle wird außerdem in Teilzeit durch das Verwaltungssekretariat unterstützt.

 

 

 

1.3 Aktuelle Entwicklungen auf Bundes- und Landkreisebene

Die Bundesinitiative Frühe Hilfen, deren Förderzeitraum lediglich bis Ende 2017 galt, wurde zum 01.01.2018 in einen auf Dauer angelegten Fonds (Bundesstiftung Frühe Hilfen) überführt. Das Volumen beträgt wie bislang weiterhin jährlich 51 Millionen Euro und soll der Sicherstellung der Netzwerke Frühe Hilfen und der psychosozialen Unterstützung von Familien dienen. Die Mittel werden nach dem bisherigen Verteilerschlüssel ausgeschüttet.

Die Wirkungen dieser Bundesstiftung Frühe Hilfen wird auch weiterhin durch das Nationale Zentrum Frühe Hilfen begleitet und evaluiert.

 

2. Finanzielle Auswirkungen

Für das laufende sowie für das kommende Haushaltsjahr stehen der Verwaltung Fördermittel aus der Bundesstiftung Frühe Hilfen in Höhe von 49.000 Euro zur Verfügung. Diese fließen in erster Linie in die Personalkosten der Koordinierungsstelle Frühe Hilfen/ Kinderschutz.

 

Die Einzelhilfen zur psychosozialen Unterstützung der Familien sowie die Kosten für die Sachaufwendungen werden aus Mitteln des Landkreises finanziert. Hierfür stehen im Jahr 2018 Gesamtmittel in Höhe von 72.000 Euro zur Verfügung.