Beschlussantrag:
- Der Jugendhilfeausschuss nimmt die neuen Anforderungen an die Mitwirkung der Verwaltung in Jugendstrafverfahren zur Kenntnis.
- Die Verwaltung wird beauftragt, mit den maßgeblichen Kooperationspartnern die notwendigen Absprachen zur Umsetzung des Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten in Jugendstrafverfahren zu treffen.
1. Sachverhalt:
Die
Mitwirkung des Jugendamts im Jugendstrafverfahren ist in
§ 52 SGB VIII i. V. m. mit § 38 JGG geregelt. Danach
hat die Verwaltung folgende Aufgaben:
·
Die Jugendgerichtshilfe ist zuständig für alle straffällig gewordenen jungen
Menschen, die zum Zeitpunkt der Straftat mindestens 14 und noch nicht 21
Jahre alt sind.
·
Im gesamten Verfahren gegen einen jungen
Menschen wird die Jugendgerichtshilfe herangezogen, sie muss eine
sozialpädagogische Stellungnahme zur Perspektivenklärung abgeben.
·
Die Jugendgerichtshilfe bringt dabei die
erzieherischen, sozialen und jugendhilferelevanten Gesichtspunkte im Verfahren
vor den Jugendgerichten zur Geltung und äußert sich zu den Maßnahmen, die zu
ergreifen sind.
·
Bei Heranwachsenden (18 bis 21-Jährigen) ist
eine fachliche Stellungnahme darüber abzugeben, ob Jugendstrafrecht oder das Allgemeine
Strafrecht (Erwachsenenstrafrecht) angewandt werden soll.
·
Sie wacht darüber, dass der Jugendliche bzw.
Heranwachsende Weisungen und Auflagen nachkommt. Erhebliche Zuwiderhandlungen
muss sie der Staatsanwaltschaft oder dem Jugendrichter mitteilen.
·
Während des Vollzugs einer Strafe in einer
Justizvollzugsanstalt bleibt die Jugendgerichtshilfe mit dem jungen Menschen in
Verbindung und nimmt sich seiner Wiedereingliederung in die Gemeinschaft an.
Dies beinhaltet dann auch die Kooperation mit der Bewährungshilfe bei den
Landgerichten.
Die bisherige
Vorgehensweise der Jugendgerichtshilfe
Nach
der Begehung einer Straftat ging eine Meldung der Polizei an die
Staatsanwaltschaft und das Jugendamt. Nach § 38 JGG soll die
Jugendgerichtshilfe frühestmöglich einbezogen werden. Bei einem Haftbefehl
erfolgte die Einbeziehung des Jugendamtes unverzüglich. Die Staatsanwaltschaft
überprüfte ohne eine Einbeziehung der Jugendgerichtshilfe, ob es zu einer Einstellung des Verfahrens kommt, ein
sogenanntes Diversionsverfahren
eingeleitet wird oder eine Anklage
ergeht. In der Regel ist die Jugendgerichtshilfe erst im Anschluss tätig
geworden.
Bei
einem Diversionsverfahren werden die
Jugendlichen mit ihren Eltern oder die Heranwachsenden zu einem erzieherischen
Gespräch in das Jugendamt eingeladen. Hier erfolgt eine Ermahnung und die
Aufforderung zur Ableistung von zuvor durch die Staatsanwaltschaft festgelegten
Auflagen, z. B. Sozialstunden. Das Jugendamt vermittelt und überwacht die
Auflagen. Die Staatsanwaltschaft wird über den Ausgang des Diversionsverfahrens
unterrichtet.
Bei
einer Anklage werden die
Jugendlichen mit ihren Eltern oder die Heranwachsenden ebenfalls zu einem
Gespräch in das Jugendamt eingeladen. Ziel des Gesprächs ist die Erstellung
eines schriftlichen Berichts für die Staatsanwaltschaft und das Gericht. Die
Jugendgerichtshilfe nimmt an der Hauptverhandlung teil und berichtet mündlich.
Sie macht einen Ahndungsvorschlag unter Berücksichtigung der erzieherischen
Gesichtspunkte. Bei Heranwachsenden wird im Rahmen des Berichts auch zur
Anwendung von Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht Stellung genommen.
Dem
jungen Menschen werden in der Regel auch hier vom Gericht Weisungen oder
Auflagen erteilt. Wie bei der Diversion werden die Auflagen und Weisungen durch
das Jugendamt vermittelt und überwacht. Bei schwerwiegenderen Straftaten und
einer schlechteren Sozialprognose sieht das Gesetz den Jugendarrest oder die
Jugendstrafe vor, die von der Justiz durchgesetzt werden.
Die neuen Anforderungen
durch das Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im
Jugendstrafverfahren vom 09.12.2019 (Anlage)
Die
frühestmögliche Beteiligung der Jugendgerichtshilfe bedeutet jetzt, dass die
Jugendgerichtshilfe noch vor
Anklageerhebung durch die Polizei eingeschaltet wird. Es besteht eine
Informationspflicht durch die Ermittlungsbehörden vor der ersten Vernehmung des
jungen Menschen. Die Berichterstattung der Jugendgerichtshilfe an die
Staatsanwaltschaft erfolgt vor
Anklageerhebung damit diese über eine Anklageerhebung entscheiden kann.
Dies
hat zur Folge, dass die Jugendgerichtshilfe in deutlich mehr Fällen und
frühzeitiger beteiligt wird. Bisher erhielt die Jugendgerichtshilfe in der
Regel erst mit der Anklageerhebung Informationen von der Staatsanwaltschaft.
Diese Informationen beschränkten sich lediglich auf die Anklageschrift.
Der
Informationsaustausch zwischen Jugendgerichtshilfe, Polizei und
Staatsanwalt-schaft intensiviert sich in einem hohen Maße.
Bis
zum Beginn der Hauptverhandlung sind weitere Nachforschungen der
Jugendgerichtshilfe notwendig und eine ergänzende Berichterstattung ist
verpflichtend. Dies hat zur Folge, dass nunmehr mehrere Gespräche mit dem
jungen Menschen und sonstigen Beteiligten geführt werden müssen.
Darüber
hinaus besteht nun eine grundsätzliche Pflicht zur Teilnahme an der
Hauptverhandlung durch die Jugendgerichtshilfe. Es besteht zwar die Möglichkeit
der schriftlichen Beantragung eines Verzichts auf die Teilnahme, dies soll
jedoch möglichst vermieden werden. Bei nicht genehmigter Abwesenheit der
Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung kann eine Kostenauferlegung
erfolgen. Auch sind verfahrensrechtliche Konsequenzen möglich.
Fazit
Bisher
wurde die Rolle des Jugendamtes im Strafverfahren als eine Unterstützung für
den Beschuldigten und das Gericht gesehen.
In
bestimmten Konstellationen ist sie nun in gewisser Weise „Ausfallbürge“ für die
Erziehungsberechtigten.
Durch
die neue Gesetzeslage wird vieles, was bisher fachlicher Standard war und
flexibel gehandhabt wurde, verbindlich geregelt.
Es
gibt einzelne Neuerungen, deren Auswirkungen auf die Praxis bei den einzelnen
Beteiligten nicht abschließend beurteilt werden können. Insoweit wissen weder
Jugendämter, die Polizei noch die Staatsanwaltschaft, wie die Änderungen sich
auswirken werden. So ist auch davon auszugehen, dass in Strafverfahren gegen
junge Menschen vermehrt Rechtsanwälte beteiligt werden.
Die Verwaltung möchte in eine engere Kooperation mit den für den Main-Tauber-Kreis zuständigen Staatsanwaltschaften in Mosbach und Ellwangen, den Amts- und Landgerichten sowie der Polizei eintreten, um die praktische Umsetzung der erweiterten Jugendgerichtshilfeaufgaben abzustimmen.
3. Finanzielle
Auswirkungen
Das
Landesjugendamt beim Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg
sowie der Landkreistag Baden-Württemberg gehen derzeit davon aus, dass die
Reform deutliche Auswirkungen auf die personelle Ausstattung der Jugendämter
haben wird.
Eine
konkrete Aussage zum Personalmehrbedarf für die Jugendgerichtshilfe beim
Jugendamt Main-Tauber-Kreis ist jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht
verlässlich möglich.
Verfasser/-in: Herr Frankenstein
Bereich/Amt: Jugendamt
Dezernatsleitung: Frau Krug
Anlagen: 2