Betreff
Anpassung der Leistungen zum Unterhalt (Pflegegeld) für junge Menschen in der Vollzeitpflege und Bereitschaftspflege
Vorlage
JHA/108/2021
Aktenzeichen
416.334
Art
Sitzungsvorlage JHA

Beschlussantrag:

 

1.         Der Jugendhilfeausschuss stimmt der von den kommunalen Spitzenverbänden und dem Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg vorgeschlagenen, auf der Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge basierenden Anpassung der Leistungen zum Unterhalt (Pflegegeld) für Kinder und Jugendliche in Vollzeitpflege zu.

 

2.         Der Jugendhilfeausschuss stimmt der von der Verwaltung vorgeschlagenen Erhöhung des Pflegegeldes in der Bereitschaftspflege zu.

 

3.         Die Anpassung des Vollzeitpflegegeldes und des Bereitschaftspflegegeldes erfolgt zum 01.01.2022.

 

1. Sachverhalt

 

1.1. Anpassung der Leistungen zum Unterhalt (Pflegegeld) für junge Menschen in der Vollzeitpflege

(Siehe Drucksache JHA/0099/2020, Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 24.11.2020.)

 

Als Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewährt das Jugendamt auf Antrag der sorgeberechtigten Eltern oder nach familiengerichtlicher Entscheidung auf Antrag des Vormunds Vollzeitpflege gem. § 33 SGB VIII. Um den notwendigen erzieherischen Bedarf von Kindern und Jugendlichen zu decken und ihr Wohl außerhalb der Familie sicherzustellen, werden sie in überprüften und geeigneten Vollzeitpflegefamilien untergebracht.

 

Die Aufnahme des Pflegekindes erfolgt durch die Pflegefamilien in jeder Hinsicht freiwillig. Das Pflegeverhältnis wird schrittweise angebahnt, ist meist auf einen längeren Zeitraum angelegt und zwischen dem Jugendamt und der Pflegefamilie wird eine schriftliche Pflegevereinbarung getroffen.

 

Wird Vollzeitpflege gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie die Pflege und Erziehung des jungen Menschen. Dabei ist dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf durch eine Staffelung der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen. Insofern unterliegt das Pflegegeld in der Vollzeitpflege bereits jetzt einer Dynamisierung.

 

Der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) empfiehlt den örtlichen Trägern der Jugendhilfe gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden, zum 01.01.2022 eine Anpassung der Pflegegelder in der Vollzeitpflege vorzunehmen.

 

Der Fortschreibung des Vollzeitpflegegeldes liegt eine Grundsatzempfehlung der kommunalen Spitzenverbände und des KVJS aus dem Jahr 2009 zugrunde, sich bei der Bemessung des Vollzeitpflegegeldes regelmäßig an den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zu orientieren. Für diese grundsätzliche Vorgehensweise sprach sich auch der Jugendhilfeausschuss des Main-Tauber-Kreises in seiner Sitzung am 14.07.2009 aus.

 

Die Umsetzung dieser Empfehlung für Baden-Württemberg, die die Entwicklung der allgemeinen Verbraucherpreise, die speziellen Konsumausgaben für Kinder und Jugendliche je nach Altersgruppe sowie die veränderten Kosten der Pflege und Erziehung berücksichtigt, führt ab 01.01.2022 zu folgenden Pflegegeldsätzen in der Vollzeitpflege (kursiv: bisheriges Pflegegeld):

 

Altersstufe

Kosten für den

Sachaufwand

(Grundbedarfssatz)

Kosten der Pflege

und Erziehung

(Kosten der Erziehung)

Pflegegeld

 

Bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres

585 Euro

(571 Euro)

289 Euro

(282 Euro)

874 Euro

(853 Euro)

 

Vom 7. bis zur Vollendung des

12. Lebensjahres

692 Euro

(657 Euro)

289 Euro

(282 Euro)

981 Euro

(939 Euro)

 

Ab Beginn des

13. Lebensjahres

787 Euro

(722 Euro)

289 Euro

(282 Euro)

1.076 Euro

(1.004 Euro)

 

Die Empfehlung des Deutschen Vereins basiert auf einer aktuellen Sonderauswertung der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS). Auf der Basis dieser aktuellen Sonderauswertung sowie unter Berücksichtigung einer Erhöhung der Verbraucherpreise um 4,6 Prozent gegenüber 2018 ergibt sich eine erhebliche Erhöhung der Kosten für den Sachaufwand, insbesondere in der zweiten und dritten Altersgruppe im Vergleich zu den für 2021 empfohlenen Pauschalbeträgen. Der Deutsche Verein empfiehlt diese Erhöhung in drei Stufen umzusetzen, die erste Stufe (50 Prozent) für das Jahr 2022. Angesichts der gestiegenen Verbraucherpreise ergeben sich auch geänderte Werte der Kosten der Pflege und Erziehung.

 

Darüber hinaus wird empfohlen, Vollzeitpflegeeltern den Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung für versicherungspflichtige Pflegepersonen zu erstatten. Dieser Jahresbeitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung für Pflegevater und Pflegemutter ist gegenüber dem Vorjahr leicht auf 174,93 Euro gesunken. Es wird empfohlen den Erstattungsbetrag in Höhe von 175,78 Euro jährlich bürokratiemindernd beizubehalten.

 

Unverändert fortgeschrieben wird der Beitrag zur Unterstützung der Alterssicherung der Pflegepersonen in Höhe von 42,53 Euro pro Monat.

 

 

 

1.2. Anpassung der Leistungen zum Unterhalt (Pflegegeld) für junge Menschen in der Bereitschaftspflege

 

Im Gegensatz zur Unterbringung von Kinder- und Jugendlichen in Vollzeitpflege geht es bei der Bereitschaftspflege um keine im Einvernehmen mit den Sorgeberechtigten oder aufgrund familienrechtlicher Entscheidung durchgeführte Unterbringung eines Kindes. In der Regel handelt es sich hier um Inobhutnahmen gem. § 42 SGB VIII, die kurzfristig notwendig werden, um den Schutz von Säuglingen und Kleinkindern in einem familiären Rahmen sicherzustellen.

 

Sie unterscheidet sich daher vor allem darin, dass die Pflegefamilien nicht zeitig vor der Unterbringung angesprochen und das Kind/der Jugendliche in einem abgestimmten Verfahren ausgewählt und aufgenommen werden. Die Aufnahme erfolgt für die Pflegefamilie „von jetzt auf gleich“. Die Verwaltung hat mit derzeit insgesamt neun Bereitschaftspflegefamilien, die sich dieser besonders verantwortungsvollen Aufgaben stellen, schriftliche Vereinbarungen getroffen.

 

Die Bereitschaftspflege ist damit keine „Leistung“ nach dem SGB VIII, sondern gehört zu den hoheitlichen „anderen Aufgaben“. Als Folge daraus wird die Höhe des Pflegegeldes für die Bereitschaftspflege nicht durch landesweite Empfehlungen festgelegt, sondern obliegt der Entscheidung des örtlichen öffentlichen Jugendhilfeträgers.

 

Nachdem es der Verwaltung schon vor vielen Jahren nicht mehr gelang, Familien zu finden, die bereit waren, zu den Konditionen des unter 1.1 aufgeführten Pflegegeldes und im Zweifel zu jeder Tages- und Nachtzeit ein Kind in ihre Familie aufzunehmen und dies gemessen an dem, was ihnen als private Familie abverlangt wurde, auch nicht mehr vertretbar erschien, wurde ein Entgelt in Höhe von 52 Euro je Belegungstag festgelegt. Mit dieser erhöhten Vergütung soll die grundsätzliche Bereitschaft honoriert werden, kurzfristig für die Aufnahme eines Kindes zur Verfügung zu stehen. Es soll aber auch der erhöhte Einsatz abgegolten werden, wenn z.B. sofortige Arzttermine wahrgenommen werden müssen, Fahrten zur weit entfernten Schule am früheren Wohnort des Kindes erforderlich werden oder in Absprache mit dem Jugendamt Besuche der sorgeberechtigten Eltern ermöglicht werden müssen. In einer schriftlichen Vereinbarung mit jeder Bereitschaftspflegefamilie sind die finanziellen Rahmenbedingungen und weitere Details im Falle der Aufnahme eines Kindes festgelegt.

 

Nachdem das Bereitschaftspflegegeld seit der Umstellung auf den Tagessatz nicht mehr angepasst wurde, schlägt die Verwaltung vor, das Entgelt ab dem 01.01.2022 auf 60 Euro je Belegungstag der Bereitschaftspflegefamilie anzuheben. Ab dem 01.01.2023 könnte das Bereitschaftspflegegeld in der Weise dynamisiert werden, dass eine prozentuale Anpassung im Umfang des unter 1.1 geregelten Vollzeitpflegegeldes auch hier vorgenommen wird.

3. Finanzielle Auswirkungen

 

Die Mehraufwendungen der vorgeschlagenen Anpassung des Pflegegeldes in der Vollzeitpflege betragen auf der Grundlage der aktuellen Fallzahlen für 2022 ca. 45.300 Euro.

 

Der Mehraufwand für die Bereitschaftspflege schlägt auf Basis der durchschnittlichen jährlichen Belegungstage von Bereitschaftspflegefamilien mit 9.600 Euro zu Buche.

 

Die Mehraufwendungen sind in der Haushaltsplanung 2022 berücksichtigt.

 

 

 

Verfasser/-in: Martin Frankenstein

Bereich/Amt: Dezernat für Jugend, Soziales und Gesundheit / Jugendamt

Dezernatsleitung: Elisabeth Krug

Anlage: 1