Beschlussantrag:
1.
Der
Jugendhilfeausschuss stimmt der von den kommunalen Spitzenverbänden und dem
Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg vorgeschlagenen, auf
der Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge
basierenden Anpassung der Leistungen zum Unterhalt (Pflegegeld) für Kinder und
Jugendliche in Vollzeitpflege zu.
2.
Der
Jugendhilfeausschuss stimmt der von der Verwaltung vorgeschlagenen Erhöhung des
Pflegegeldes in der Bereitschaftspflege zu.
3.
Die
Anpassung des Vollzeitpflegegeldes und des Bereitschaftspflegegeldes erfolgt
zum 01.01.2022.
1. Sachverhalt
1.1. Anpassung der Leistungen zum Unterhalt (Pflegegeld) für junge Menschen in
der Vollzeitpflege
(Siehe Drucksache JHA/0099/2020, Sitzung des Jugendhilfeausschusses am
24.11.2020.)
Als Träger
der öffentlichen Jugendhilfe gewährt das Jugendamt auf Antrag der
sorgeberechtigten Eltern oder nach familiengerichtlicher Entscheidung auf
Antrag des Vormunds Vollzeitpflege gem. § 33 SGB VIII. Um den
notwendigen erzieherischen Bedarf von Kindern und Jugendlichen zu decken und
ihr Wohl außerhalb der Familie sicherzustellen, werden sie in überprüften und
geeigneten Vollzeitpflegefamilien untergebracht.
Die Aufnahme
des Pflegekindes erfolgt durch die Pflegefamilien in jeder Hinsicht freiwillig.
Das Pflegeverhältnis wird schrittweise angebahnt, ist meist auf einen längeren
Zeitraum angelegt und zwischen dem Jugendamt und der Pflegefamilie wird eine
schriftliche Pflegevereinbarung getroffen.
Wird
Vollzeitpflege gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder
Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten
für den Sachaufwand sowie die Pflege und Erziehung des jungen Menschen.
Dabei ist dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf durch eine Staffelung
der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen. Insofern unterliegt das
Pflegegeld in der Vollzeitpflege bereits jetzt einer Dynamisierung.
Der Kommunalverband
für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) empfiehlt den örtlichen
Trägern der Jugendhilfe gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden,
zum 01.01.2022 eine Anpassung der Pflegegelder in der Vollzeitpflege
vorzunehmen.
Der
Fortschreibung des Vollzeitpflegegeldes liegt eine Grundsatzempfehlung der
kommunalen Spitzenverbände und des KVJS aus dem Jahr 2009 zugrunde, sich bei
der Bemessung des Vollzeitpflegegeldes regelmäßig an den Empfehlungen des
Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zu orientieren. Für
diese grundsätzliche Vorgehensweise sprach sich auch der Jugendhilfeausschuss
des Main-Tauber-Kreises in seiner Sitzung am 14.07.2009 aus.
Die
Umsetzung dieser Empfehlung für Baden-Württemberg, die die Entwicklung der
allgemeinen Verbraucherpreise, die speziellen Konsumausgaben für Kinder und
Jugendliche je nach Altersgruppe sowie die veränderten Kosten der Pflege und
Erziehung berücksichtigt, führt ab 01.01.2022
zu folgenden Pflegegeldsätzen in der Vollzeitpflege (kursiv: bisheriges
Pflegegeld):
Altersstufe |
Kosten für den Sachaufwand (Grundbedarfssatz) |
Kosten der Pflege und Erziehung (Kosten der Erziehung) |
Pflegegeld |
Bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres |
585 Euro (571
Euro) |
289 Euro (282
Euro) |
874 Euro (853
Euro) |
Vom 7. bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres |
692 Euro (657
Euro) |
289 Euro (282
Euro) |
981 Euro (939
Euro) |
Ab Beginn des 13. Lebensjahres |
787 Euro (722
Euro) |
289 Euro (282
Euro) |
1.076 Euro (1.004
Euro) |
Die
Empfehlung des Deutschen Vereins basiert auf einer aktuellen Sonderauswertung
der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS). Auf der Basis dieser aktuellen
Sonderauswertung sowie unter Berücksichtigung einer Erhöhung der
Verbraucherpreise um 4,6 Prozent gegenüber 2018 ergibt sich eine erhebliche
Erhöhung der Kosten für den Sachaufwand, insbesondere in der zweiten und
dritten Altersgruppe im Vergleich zu den für 2021 empfohlenen Pauschalbeträgen.
Der Deutsche Verein empfiehlt diese Erhöhung in drei Stufen umzusetzen, die
erste Stufe (50 Prozent) für das Jahr 2022. Angesichts der gestiegenen
Verbraucherpreise ergeben sich auch geänderte Werte der Kosten der Pflege und
Erziehung.
Darüber
hinaus wird empfohlen, Vollzeitpflegeeltern den Beitrag zur gesetzlichen
Unfallversicherung für versicherungspflichtige Pflegepersonen zu erstatten.
Dieser Jahresbeitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung für Pflegevater und
Pflegemutter ist gegenüber dem Vorjahr leicht auf 174,93 Euro gesunken. Es wird
empfohlen den Erstattungsbetrag in Höhe von 175,78 Euro jährlich
bürokratiemindernd beizubehalten.
Unverändert
fortgeschrieben wird der Beitrag zur Unterstützung der Alterssicherung der
Pflegepersonen in Höhe von 42,53 Euro pro Monat.
1.2. Anpassung der Leistungen zum Unterhalt (Pflegegeld) für junge Menschen in
der Bereitschaftspflege
Im Gegensatz zur Unterbringung von Kinder- und Jugendlichen in Vollzeitpflege geht es bei der Bereitschaftspflege um keine im Einvernehmen mit den Sorgeberechtigten oder aufgrund familienrechtlicher Entscheidung durchgeführte Unterbringung eines Kindes. In der Regel handelt es sich hier um Inobhutnahmen gem. § 42 SGB VIII, die kurzfristig notwendig werden, um den Schutz von Säuglingen und Kleinkindern in einem familiären Rahmen sicherzustellen.
Sie unterscheidet sich daher vor allem darin, dass die Pflegefamilien nicht zeitig vor der Unterbringung angesprochen und das Kind/der Jugendliche in einem abgestimmten Verfahren ausgewählt und aufgenommen werden. Die Aufnahme erfolgt für die Pflegefamilie „von jetzt auf gleich“. Die Verwaltung hat mit derzeit insgesamt neun Bereitschaftspflegefamilien, die sich dieser besonders verantwortungsvollen Aufgaben stellen, schriftliche Vereinbarungen getroffen.
Die Bereitschaftspflege ist damit keine „Leistung“ nach dem SGB VIII, sondern gehört zu den hoheitlichen „anderen Aufgaben“. Als Folge daraus wird die Höhe des Pflegegeldes für die Bereitschaftspflege nicht durch landesweite Empfehlungen festgelegt, sondern obliegt der Entscheidung des örtlichen öffentlichen Jugendhilfeträgers.
Nachdem es der Verwaltung schon vor vielen Jahren nicht mehr gelang, Familien zu finden, die bereit waren, zu den Konditionen des unter 1.1 aufgeführten Pflegegeldes und im Zweifel zu jeder Tages- und Nachtzeit ein Kind in ihre Familie aufzunehmen und dies gemessen an dem, was ihnen als private Familie abverlangt wurde, auch nicht mehr vertretbar erschien, wurde ein Entgelt in Höhe von 52 Euro je Belegungstag festgelegt. Mit dieser erhöhten Vergütung soll die grundsätzliche Bereitschaft honoriert werden, kurzfristig für die Aufnahme eines Kindes zur Verfügung zu stehen. Es soll aber auch der erhöhte Einsatz abgegolten werden, wenn z.B. sofortige Arzttermine wahrgenommen werden müssen, Fahrten zur weit entfernten Schule am früheren Wohnort des Kindes erforderlich werden oder in Absprache mit dem Jugendamt Besuche der sorgeberechtigten Eltern ermöglicht werden müssen. In einer schriftlichen Vereinbarung mit jeder Bereitschaftspflegefamilie sind die finanziellen Rahmenbedingungen und weitere Details im Falle der Aufnahme eines Kindes festgelegt.
Nachdem das Bereitschaftspflegegeld seit der
Umstellung auf den Tagessatz nicht mehr angepasst wurde, schlägt die Verwaltung
vor, das Entgelt ab dem 01.01.2022 auf 60 Euro je Belegungstag
der Bereitschaftspflegefamilie anzuheben. Ab dem 01.01.2023 könnte das
Bereitschaftspflegegeld in der Weise dynamisiert werden, dass eine prozentuale
Anpassung im Umfang des unter 1.1 geregelten Vollzeitpflegegeldes auch hier
vorgenommen wird.
3.
Finanzielle Auswirkungen
Die Mehraufwendungen der vorgeschlagenen Anpassung des Pflegegeldes in der Vollzeitpflege betragen auf der Grundlage der aktuellen Fallzahlen für 2022 ca. 45.300 Euro.
Der Mehraufwand für die Bereitschaftspflege schlägt auf Basis der durchschnittlichen jährlichen Belegungstage von Bereitschaftspflegefamilien mit 9.600 Euro zu Buche.
Die Mehraufwendungen sind in der Haushaltsplanung 2022 berücksichtigt.
Verfasser/-in: Martin Frankenstein
Bereich/Amt: Dezernat für Jugend, Soziales und Gesundheit / Jugendamt
Dezernatsleitung: Elisabeth Krug
Anlage: 1