Betreff
Anpassung der Leistungen zum Unterhalt (Pflegegeld) für junge Menschen in der Vollzeitpflege und Bereitschaftspflege
Vorlage
JHA/124/2022
Aktenzeichen
416.334
Art
Sitzungsvorlage JHA

Beschlussantrag:

1.         Der Jugendhilfeausschuss stimmt den von den kommunalen Spitzenverbänden und dem Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg vorgeschlagenen, auf der Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge basierenden Anpassung der Leistungen zum Unterhalt (Pflegegeld) für Kinder und Jugendliche in Vollzeitpflege zu.

 

2.         Der Jugendhilfeausschuss stimmt der von der Verwaltung vorgeschlagenen Erhöhung des Pflegegeldes in der Bereitschaftspflege zu.

 

3.         Die Anpassung des Vollzeitpflegegeldes und des Bereitschaftspflegegeldes erfolgt zum 01.01.2023.

 

 

1. Sachverhalt

(Siehe Drucksache JHA/108/2021, Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 16.11.2022)

 

1.1. Anpassung der Leistungen zum Unterhalt (Pflegegeld) für junge Menschen in der Vollzeitpflege

 

Das Jugendamt gewährt als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe Erziehungshilfe in Form der Vollzeitpflege gem. § 33 SGB VIII, wenn der Einzelfallbedarf nicht durch eine ambulante oder teilstationäre Unterstützung abgedeckt werden kann. Um den notwendigen erzieherischen Bedarf von Kindern und Jugendlichen zu decken und ihr Wohl außerhalb der Familie sicherzustellen, werden sie in überprüften und geeigneten Vollzeitpflegefamilien untergebracht.

 

Die Aufnahme des Pflegekindes erfolgt durch die Pflegefamilien in jeder Hinsicht freiwillig. Das Pflegeverhältnis wird schrittweise angebahnt, ist meist auf einen längeren Zeitraum angelegt und zwischen dem Jugendamt und der Pflegefamilie wird eine schriftliche Pflegevereinbarung getroffen.

 

Wird Vollzeitpflege gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie die Pflege und Erziehung des jungen Menschen. Dabei ist dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf durch eine Staffelung der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen. Insofern unterliegt das Pflegegeld in der Vollzeitpflege wie bisher einer Dynamisierung.

 

Der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) empfiehlt den örtlichen Trägern der Jugendhilfe gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden, zum 01.01.2023 eine Anpassung der Pflegegelder in der Vollzeitpflege vorzunehmen (siehe Anlage 1).

 

Der Fortschreibung des Vollzeitpflegegeldes liegt die Grundsatzempfehlung der kommunalen Spitzenverbände und des KVJS aus dem Jahr 2009 zugrunde, sich bei der Bemessung des Vollzeitpflegegeldes regelmäßig an den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zu orientieren. Für diese grundsätzliche Vorgehensweise sprach sich auch der Jugendhilfeausschuss des Main-Tauber-Kreises in seiner Sitzung am 14.07.2009 aus.

Die Umsetzung dieser Empfehlung für Baden-Württemberg, die die Entwicklung der allgemeinen Verbraucherpreise, die speziellen Konsumausgaben für Kinder und Jugendliche je nach Altersgruppe sowie die veränderten Kosten der Pflege und Erziehung berücksichtigt, führt ab 01.01.2023 zu folgenden Pflegegeldsätzen in der Vollzeitpflege (kursiv: bisheriges Pflegegeld):

 

Altersstufe

Kosten für den

Sachaufwand

(Grundbedarfssatz)

Kosten der Pflege

und Erziehung

(Kosten der Erziehung)

Pflegegeld

 

Bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres

639 Euro

(585 Euro)

312 Euro

(289 Euro)

951 Euro

(874 Euro)

 

Vom 7. bis zur Vollendung des

12. Lebensjahres

783 Euro

(692 Euro)

312 Euro

(289 Euro)

1.095 Euro

(981 Euro)

 

Ab Beginn des

13. Lebensjahres

919 Euro

(787 Euro)

312 Euro

(289 Euro)

1.231 Euro

(1.076 Euro)

 

Die Empfehlung des Deutschen Vereins basiert auf einer aktuellen Sonderauswertung der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS). Auf der Basis der Sonderauswertung aus 2021 sowie unter Berücksichtigung einer Erhöhung der Verbraucherpreise um 12,9 Prozent gegenüber der EVS 2018 ergibt sich eine erhebliche Erhöhung der Kosten für den Sachaufwand. Angesichts der gestiegenen Verbraucherpreise ergeben sich auch geänderte Werte der Kosten der Pflege und Erziehung.

 

Darüber hinaus wird weiterhin empfohlen, Vollzeitpflegeeltern den Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung für versicherungspflichtige Pflegepersonen zu erstatten. Dieser Jahresbeitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung für Pflegevater und Pflegemutter steigt gegenüber dem Vorjahr von 175,78 Euro auf 182,53 Euro.

 

Unverändert fortgeschrieben wird der Beitrag zur Unterstützung der Alterssicherung der Pflegepersonen in Höhe von 42,53 Euro pro Monat.

 

 

1.2. Anpassung der Leistungen zum Unterhalt (Pflegegeld) für junge Menschen in der Bereitschaftspflege

 

Zusätzlich zur geplanten und auf Antrag der Sorgeberechtigten gewährten Vollzeitpflege benötigt das Jugendamt auch weiterhin als Handlungsoption die Unterbringungsmöglichkeit von Kindern in Bereitschaftspflegefamilien, um deren Schutz in akuten Krisensituationen sicherzustellen. In der Regel handelt es sich hier um Inobhutnahmen gem. § 42 SGB VIII, die kurzfristig notwendig werden, um Säuglingen und Kleinkindern in konkreten Gefährdungssituationen einen familiären Betreuungsrahmen zu bieten.

 

Die Unterbringung in einer Bereitschaftspflege unterscheidet sich daher vor allem darin, dass die Pflegefamilien nicht zeitig vor der Unterbringung angesprochen und das Kind in einem abgestimmten Verfahren ausgewählt und aufgenommen wird. Die Aufnahme erfolgt für die Pflegefamilie vielmehr „von jetzt auf gleich“.

 

Die Verwaltung hat derzeit mit aktuell insgesamt 11 Bereitschaftspflegefamilien, die sich dieser besonders verantwortungsvollen Aufgabe stellen, schriftliche Vereinbarungen abgeschlossen, in denen ihre Aufgabe konkreter beschrieben ist.

 

Die Bereitschaftspflege ist damit keine „Leistung“ nach dem SGB VIII, sondern gehört zu den hoheitlichen „anderen Aufgaben“. Als Folge daraus wird die Höhe des Pflegegeldes für die Bereitschaftspflege nicht durch landesweite Empfehlungen festgelegt, sondern obliegt der Entscheidung des örtlichen öffentlichen Jugendhilfeträgers.

 

Das Bereitschaftspflegegeld wurde durch Beschluss des Jugendhilfeausschusses zum 01.01.2022 auf 60 Euro je Belegungstag der Bereitschaftspflegefamilie festgelegt.

Darüber hinaus soll für die Zukunft eine Dynamisierung des Entgeltes vorgenommen werden beispielsweise im Umfang der prozentualen Anpassung im Umfang des unter 1.1 geregelten Vollzeitpflegegeldes.

 

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Bereitschaftspflegefamilien in aller Regel nur für die Aufnahme von Kindern der unteren beiden Altersgruppen, also der 0 bis 12-Jährigen in Frage kommen. Die Verwaltung schlägt daher vor, das Bereitschaftspflegegeld im Umfang der durchschnittlichen Steigerung dieser Vollzeitpflegegelder anzuheben, was eine Anhebung um 10,3 Prozent bzw. 6,18 Euro ausmacht. Das Entgelt pro Belegungstag sollte schlussendlich auf gerundete 66 Euro für den Zeitraum ab 01.01.2023 angepasst werden.

3. Finanzielle Auswirkungen

Die Mehraufwendungen der vorgeschlagenen Anpassung des Pflegegeldes in der Vollzeitpflege betragen auf der Grundlage der aktuellen Fallzahlen für 2023 117.200 Euro.

 

Der Mehraufwand für die Bereitschaftspflege schlägt auf Basis der durchschnittlichen jährlichen Belegungstage von Bereitschaftspflegefamilien mit 9.700 Euro zu Buche.

 

Die Mehraufwendungen sind in der Haushaltsplanung 2023 berücksichtigt.

 

 

 

Verfasser/-in: Martin Frankenstein

Bereich/Amt: Dezernat für Jugend, Soziales und Gesundheit / Jugendamt

Dezernatsleitung: Elisabeth Krug

Anlage: 1